Hirtenwort der deutschen Bischöfe - 30. April 1979
Auf ihrer Frühjahrs-Vollversammlung vom 5. bis 8. März 1979 in Cloppenburg haben die deutschen Bischöfe einen Tag dem Thema Mariologie gewidmet. Die Frucht der überlegungen dieses Tages war ein gemeinsamer Hirtenbrief. Die Schwerpunkte des Gesprächs wurden bestimmt durch zwei theologische Referate, die Kardinal Joseph Ratzinger und Hans Urs von Balthasar hielten. Diese drei Texte werden zusammen mit der Homilie von Kardinal Ratzinger (gehalten in der Eucharistiefeier an diesem marianischen Tag) vorgelegt, um weitere Besinnung auf das marianische Thema zu ermöglichen und Anregung zu rechter marianischer Frömmigkeit zu geben. Daß die Bischöfe inmitten der drängenden Probleme in Kirche und Gesellschaft einen ganzen Tag dem Thema Marienverehrung widmeten, der scheinbar weder innerhalb noch außerhalb der Kirche eine vordringliche Aktualität zukommt, hat offenbar manchen überrascht. Zugrunde lag diesem Entscheid die Einsicht, daß zwar der Glaubende "immer bereit zur Antwort" sein muß (1 Petr 3,15) und so nicht an den Fragen der jeweiligen Zeit vorbeileben oder vorbeidenken darf, daß aber andererseits die Antworten zu kurzatmig werden, wenn die innere Logik des Glaubens selbst verkümmert und nicht mehr aus der Fülle des Ganzen gedacht und gelebt wird. Für die Kirche aller Zeiten bleibt das besinnliche Verwahren und Anverwandeln des Wortes, das nach dem Evangelisten Lukas die Jungfrau Maria kennzeichnete (Luk 2,19.51), die grundlegende Voraussetzung ihrer Fruchtbarkeit. So ging es in den Referaten und Gesprächen darum, auf der Linie des Zweiten Vatikanischen Konzils die marianische Überlieferung der Kirche zu hören und von ihr her den Blick ins Ganze des Evangeliums hinein zu gewinnen. Mariologie ist nicht selbst ein letztes Wort des Glaubens, aber ein unerläßliches Stück Weges, um das ganze Wort ungeschmälert zu hören. So scheinen uns die Cloppenburger Überlegungen "aktuell" im Sinne dessen, was wir brauchen, um das "Aktuelle" christlich bestehen und über die Enge des Augenblicks hinaus zum rechten Raum gläubigen Lebens gestalten zu können.
Am Fest der Aufnahme Marias in den Himmel 1979
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (Joseph Cardinal Höffner)