Maria-Himmelfahrt

Wo noch Odins Raben kreisen
Durch der Pfade Traumgeflechte,
Wo die Wipfel lichtwärts weisen,
Jäh im Nirgendwo vereisen,
Zwischen Wolken, Wagnis, Wechte,

Wo sich zeigt als Gipfelglühen
Heimdalls morgendliches Grienen,
Wo des Lebens Runen sprühen
In der Alpenrose Blühen -
Ist Maria dir erschienen!

Als du wieder lerntest beten
Nach den Jahren ohne Quelle,
Ohne Heim, mit Zweifeln, steten,
Ist sie vor dich hin getreten
In Gallzeiner Berg-Kapelle.

Bernstein hatte dargeboten
Sie, von holden Sonnenküsten
Kündend, dir, dem letzten Goten.
Einzig Glück verheißend lohten
Ihrer Augen Amethysten.

Dann du sahst, in hellen Tönen,
Sterngestalt aus Sommersprossen
Lachen im Gesicht der Schönen,
Und mit stillem All-Versöhnen
Hast du ihren Kuß genossen.

Kerzen glommen an den Wänden:
Klare Spiegel der ersparten
Wünsche in ersehnten Bränden.
Und sie nahm dich bei den Händen,
Ging mit dir auf Himmelfahrten.

Unter Steinschlag, nur an Seilen
Fest gebunden, Klüfte, Spalten,
Abgrund grüßend, über steilen
Hängen, leise, beim Verweilen,
Hat sie deine Hand gehalten!

Hoch zu Grat, zum Born der Blitze,
Rittest du auf steilsten Wegen
Über Klamm und Felsen-Ritze,
Über Gletscher. Hagel, Hitze,
Stürme gaben ihren Segen.

Höher warst du nie gedrungen -
Letztes, wirkliches Erheben:
Zwar die Flügel deiner Lunge
Wogten, doch mit frohem Schwunge
Flogst du in ein neues Leben.

Endlich, unter Mjölnirs Gleißen,
Seinem sinnenreichen Hiebe,
Fandest du auf Wolken-Schneisen,
Nah bei dir den Stein der Weisen,
Heimstatt, Gral, Erlösung: Liebe!

Wirst du fallen, wird dich tragen
In die Welt der Kunst Erbarmen,
Wirst du durch die Zeiten ragen? -
Leiser werden deine Fragen,
Leiser, in Marias Armen.


Maria

Einsam, an geheimer Stelle,
Eine alte Waldkapelle
Zwischen Moos und Steinen steht.
Hohe Bäume sie umringen
Und von ihrem Turme klingen
Glockenschläge, abends spät.

Kerzen brennen an den Wänden
Flackernd sie ihr Licht entsenden,
Weihrauchduft den Raum erfüllt.
Den Altar, um Gott zu loben,
Schmückt von Kerzenschein umwoben
Leuchtend ein Marienbild.

Wenn die Glocke schlägt beständig
Schaut Maria wie lebendig
Durch der Fenster mattes Glas,
Sucht den Sohn, den sie geboren,
Den sie an die Welt verloren,
Die sein hohes Wort vergaß,

Und ihr Herz will ihn erreichen,
Sucht am Himmel seine Zeichen,
Den kein Sonnenstrahl erhellt.
Durch die Fenster blickt sie trauernd;
Vor der Finsternis erschauernd,
Weint sie leise um die Welt.